Alternative für den Desktop? Android als ThinClient

22. Dezember 2011

Im Rahmen unseres Schwerpunktthemas im Dezember und Januar haben wir uns ausführlich mit der Verwaltung der Desktop-Systeme befasst — ein Thema, das in den Zeiten der VDI-Installationen und mobilen Endgeräte hochaktuell ist und vielfach diskutiert wird.

Nach wie vor gilt aus Sicht der Administaroren häufig noch: Irgendwie kommt man schon auf den Desktop eines Windows-Computers. Ganz gleich, ob es dabei um den Zugriff auf die Terminal-Dienste oder um die Remote-Administration geht. Schließlich steht die benötigte Software, der Remote Desktop Client (RDP), für beinahe jedes Betriebssystem zur Verfügung – sogar für das Android-System, das nicht nur auf Telefonen immer populärer wird.

Bild 1. Der RDP-Client von Xtralogic: Mit seiner Hilfe werde alle Funktionen des Microsoft-RDP-Clients auch auf Geräten mit Android-Betriebssystem zugänglich.

Bevor wir hier unsere ersten Erfahrungen mit der Kombination von „Android und RDP“ schildern, darf ein wichtiger Hinweis nicht fehlen: Uns ging es  bei diesem Experiment in sicher nicht darum, günstige Mobile ThinClients für Windows-Terminalservices auf Android-Basis als Ersatz für die bestehenden ThinClient-Umgebungen zu propagieren.

Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass sich für einen Administrator die Qualität einer ThinClient-Umgebung in erster Linie in der einfacheren Verwaltung, schnellere Bereitstellung, zentrale Software-Verteilung und Fernverwaltung der Client-Systeme zeigt. Hersteller wie Wyse, Rangee oder Igel bieten hierfür ausgewachsene Software-Lösungen an – ohne diese Programme oder die Verwendung von speziellen Systems-Management-Lösungen wird die Verwaltung von ThinClients ein mühsames Geschäft werden.

Wir wollten aber dennoch im Rahmen unseres Schwerpunkts zum Thema Verwaltung von mobilen Endgeräten und Desktops auch einmal einen etwas exotischeren Ansatz austesten und präsentieren. Denn das Android-Betriebssystem mit seiner Linux-Basis muss ja nicht nur auf Telefonen zum Einsatz kommen.

Die passendes Hardware: Günstig und klein soll sie sein…

Wir haben die Suche zunächst mit der Auswahl eines passenden Geräts begonnen: Der Versandhändler „Pearl“ bot just für knapp 170, – Euro ein Netbook mit 10-Zoll LCD-Display an. Das Gerät kann mit einer Bildschirmauflösung von 1024 x 600 Pixel aufwarten wird mit dem Android-Betriebssystem in der Version 2.2 ausgeliefert.

Verschiedene Programme wie beispielsweise einen Browser, die Android-Market-Place-Applikation, einen Flash-Player oder auch die YouTube-Unterstützung liefert das Mini-Gerät ebenfalls von Haus aus mit. Es handelt sich bei dem Gerät um ein NB-10.HD des Herstellers Meteorit mit 512 MByte DDR2-RAM Hauptspeicher und 4 GByte Flash-Speicher (iNAND)  als "Festplatte".

Laut Hersteller soll dieses Gerät zwar in Sachen "mobiles Surfvergnügen neue Maßstäbe setzen"  — an diesem Anspruch scheitert aber die Kombination von 800 MHz CPU und Android-Betriebssystem: Von der zügigen Eleganz eines Android-Smartphones mit gleichen Leistungsdaten bleibt wenig über, zudem fehlt — wie bei diesem Preis nicht anders zu erwarten — ein entsprechendes Touch-Display. Ärgerlich für den Anwender sind der viel zu langsam eingestellte Mauszeiger und die kaum zu verantwortende Klick-Funktion auf dem Finger-Touch-Feld. Wer dem einfachen, schwarzen Kunststoff nicht zu viel zumuten möchte, nutzt lieber die Buttons unterhalb des Felds.

Sieht mal mal von diesen Einschränkungen ab, bietet das NB-10.HD alles, was ein kleiner ThinClient im Laptop-Gewand braucht: eine recht brauchbare Tastatur, lange Akku-Laufzeiten für bis zu sieben Stunden Dauerbetrieb, WLAN-Verbindung gemäß 802.11 b/g/n, SDHC-Karten-Leser und USB-Anschlüsse. Android 2.2 unterstützt zudem das FAT32-Dateisystem, wodurch das Laden und Speichern von Dateien auch aus einer Terminalsitzung heraus generell möglich wird.

Bild 2. An dieser Stelle zeigt sich ein generelles Problem dieser Android-Version: Der Administrator kann alles einstellen – allerdings leider nicht den Client-Namen.

Schafft die Verbindung zur Windows-Welt: die Software

Für Android-basierte Geräte stehen glücklicherweise einige RDP-Clientprogramme zur Verfügung. So können Administratoren beispielsweise den kostenfreien 2X-Client der 2X Software Ltd jederzeit über den Android-Marketplace heruntergeladen.

Dabei erwies es sich in unserem Testszenario als Nachteil, dass diese Software im hohen Maße von der Touch-Display-Eingabe abhängig ist: Die Entwickler der Software sind eindeutig davon ausgegangen, dass das Programm auf einem typischen Smartphone mit Touch-Display genutzt wird. So wird beispielsweise der Rechtsklick durch einen längeren Linksklick emuliert. Für den deutschen Anwender ist es dabei besonders ärgerlich, dass die Tastatur nur auf „Japanisch“ oder „US“ gesetzt werden kann – da nützt dem Anwender dann auch die schöne QWERTZ-Tastatur von Meteorit nur noch wenig.

Grundsätzlich ist die Bedienung der Software aber denkbar einfach: Nach der Installation auf dem Android-Rechner wird mit dem Befehl „Hinzufügen“ eine neue Terminalserver-Verbindung eingerichtet. Der Name des Zielsystems kann sowohl als IP-Adresse oder als DNS-Name eingegeben werden. Die Port-Adresse, im Standard erwartungsgemäß auf 3389 gesetzt, lässt sich durch den Benutzer ebenfalls verändern. Die üblichen Parameter wie Farbtiefe, Bildschirm-Auflösung mit der Möglichkeit ein Vollbild einzurichten, Desktop-Hintergrund-Bild, Schriftenglättung, Anpassung der Menü- und Fensteranimationen, Komprimierung oder Audio-Umleitung beherrscht die 2X-Software ebenfalls problemlos.

Die zweite Software die wir uns im Rahmen dieses Tests angeschaut haben, heißt „Remote Desktop Client for Android 1.0.2“ und wird von der Xtralogic Inc angeboten. Hierbei handelt es sich um einen kostenpflichtigen RDP-Client, der mit einem Preis von 18,95 US-Dollar je Lizenz nicht gerade kostengünstig ist.

Im Vergleich zum eingangs betrachteten 2X-Client beherrscht die Xtralogic-Software dafür jedoch auch das Zusammenspiel mit der Tastatur unseres Mini-Laptops deutlich besser. Dies funktionierte ebenfalls  in verschiedenen Sprach-Layouts. Zudem war die subjektive Geschwindigkeit der Session in dieser Konstellation wesentlich höher. Leider kam es bei 32-Bit Farbtiefe unter Windows 7/Windows Server 2008 zu einigen hässlichen Farbverschiebungen der Fenster in der Terminalsitzung. Laut Hersteller ist dieses Problem bereits bekannt und soll in Kürze behoben werden.

Die Software ermöglicht es, gespeicherte SSL-Zertifikate aus RDP-Verbindungen per Mausklick in einem Rutsch zu löschen. Das gilt ebenso für die gespeicherten Informationen zu den RDP-Windows-Lizenzen. Als besonders praktisch haben wir zudem die Fähigkeit der Software empfunden, die SD-Karte mit in die RDP-Sitzung zu „mappen“. Über diesen Weg kann der Benutzer Daten von seinem Windows-PC auch "aus der Entfernung" auf sein Android-Gerät kopieren.

Fazit: Ein sehr günstiger Client ist möglich

Ist es also möglich, für eine Preis von weniger als 200, – Euro einen ThinClient für Windows-Server im Laptop-Gewandt zu realisieren, der auch wirklich eingesetzt werden kann? Diese Frage können wir nach diesem kurzen Testlauf eindeutig mit JA beantworten!

Werden Anwender als Unternehmensbenutzer acht Stunden am Tag mit dieser Lösung arbeiten wollel? Diese Frage beantworten wir genauso eindeutig mit NEIN!

Für diesen "Dauereinsatz" ist die CPU des Meteorit zu langsam und beide geprüften RDP-Clients sind dafür nicht genug an das Gerät angepasst.
Administratoren geraten bei dieser Client-Bereitstellung aus einem weiteren Grund schnell an eine Grenze: Es gibt keinen definierbaren Client-Namen Nähere Erläuterungen sind dazu im Web unter http://code.google.com/p/android/issues/detail?id=6111 zu finden .

Bei diesem System wird die Systemvariable Client-Name entweder mit dem String „ANDROID“ oder „NB-10“ gefüllt –  beide eignen sich nicht dazu, mit ihnen beispielsweise für eine Sitzung für eine Drucker-Zuordnung zu realisieren. Bleibt somit nur der Weg über den Benutzernamen – oder gleich der Einsatz eines „richtigen“ ThinClients im Laptop-Style.

In diesem Fall muss ein IT-Verantwortlicher dann jdeoch mit knapp 400, – Euro rechnen. Dafür bekommt er zum Beispiel ein Rangee NC NC10 mit Intel Atom-Prozessor, einem 10-Zoll-Display und einer Festplatte, die eine Kapazität von 160 GByte aufweist. Zudem steht dann auch eine Linux-basierten Software-Ausstattung mit RDP-Zugriff zur Verfügung.

Das soll allerdings nicht die Leistung dieses kleinen Android-Clients mindern: Er ist extrem preisgünstig und kann mit einer langen Akkuzeit glänzen. Also "Notfall-Gerät" für den Administrator also bestens geeignet. Die unzureichende RDP-Software in Zusammenhang mit der schwachen CPU-Leistung schließen aber den Einsatz als Gerät für den täglichen Einsatz aus.

Thomas Bär/Frank-Michael Schlede

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