EMC räumt die Backup-Produktpalette auf

13. August 2013

Eine Neustrukturierung des gesamten Backup-Zoos hat EMC auf seiner Konferenz in New York mit dem Titel „Backup to the Future“ angekündigt. Wichtig ist dabei vor allem der Faktor Cloud – hierhin soll gesichert werden. EMC spricht dabei von einer „Cloud-Backup-Funktionalität“, mit der die Skalierung von Online-Backups weniger Kosten erfordere und zugleich die Komplexität des Speichervorgangs reduziere. Diese werde durch die neue Active-Directory-Integration ermöglicht, da Nutzer-Accounts nicht mehr separat eingerichtet werden müssten.
Das Online-Backup-System Mozy hat EMC im Jahr 2007 zugekauft. Dieses Produkt wird in einer Konsumenten- und in einer Business-Version angeboten. Als die Geschäfte nicht so liefen – man befand sich noch vor der großen Cloud-Blase –, wurde Mozy kurzerhand organisatorisch VMware zugeschlagen. Die Angebote wurden zwar nicht eingestellt, aber man hörte von Herstellerseite so gut wie nichts mehr.

Bild 2. Die weitere Entwicklung im Bereich von Data Domain. Quelle: EMC

Jetzt hat sich plötzlich alles wieder geändert: Auf einer EMC-Konferenz in New York mit dem Titel „Backup to the Future“ war unter anderem zu vernehmen, dass Mozy jetzt wieder direkt zu EMC gehört. Der Grund: Online-Backup ist „Cloud“, also wichtig. Außerdem berichteten EMC-Marketingleute, dass Mozy inzwischen die Konsumenten-Nische verlassen und viele Business-Kunden gewonnen hätte. Dafür hätten von der Mutter eher unbemerkt vor allem EMC-Partner gesorgt, denen es gelang, Kunden aus der Geschäftswelt zu gewinnen.

Die Cloud kommt wieder in den Fokus

Die derzeit wieder aktuelle Strategie bei EMC heißt jetzt: „Cloud!“. EMC spricht von einer „Cloud-Backup-Funktionalität“, mit der die Skalierung von Online-Backups weniger Kosten erfordere und zugleich die Komplexität des Speichervorgangs reduziere. Diese werde durch die neue Active-Directory-Integration ermöglicht, da Nutzer-Accounts nicht mehr separat eingerichtet werden müssten. Darüber hinaus erleichtern jetzt laut Hersteller Speicher-Pools das Management, da das Einhalten von Speicherquoten nicht mehr für jedes Gerät einzeln

Bild 3. Die Zukunft des Backups – aus Sicht von EMC. Quelle: EMC

kontrolliert werden müsse.

Am anderen Ende der Software-Skala von EMC finden sich die klassischen Backup-Programme von Legato. Zum Zeitpunkt der Übernahme verfügte Legato über eine breite Kundenbasis, vor allem im Unix-Umfeld. Die Software galt als schwierig, erforderte lange Trainingszeiten und aktive Unterstützung bei Installation und Betrieb.

Eine Klammer für alle Backup-Produkte

Als Klammer hat sich EMC für seine Datensicherungsangebote den Marketingbegriff „Data Protection Suite“ einfallen lassen. Ein Teil der Suite ist Legato Networker in der Version 8.1. Networker verfügt nun über ein Tool zum Verwalten von Snapshots mit einer assistenten-basierten Oberfläche. Über Autodiscovery kann automatisch Speicherplatz für Snapshots zugewiesen werden.

Die wesentliche Neuerung besteht aber in der engeren Verzahnung mit den Data Domain-Systemen und dem Boost Support von Data Domain. Damit soll man über Fibre-Channel-Verbindungen Backups schneller durchführen können. EMC spricht von bis zu 50 Prozent Zeitgewinn beim Backup. Die Integrationsbemühungen des Herstellers sieht man auch daran, dass der VMware-Support von Networker jetzt über Avamar-Technologien abgewickelt wird.

Avamar in der Version 7 wurde um Dateisystem- und NAS/NDMP-Backups erweitert. Damit unterstützt es laut EMC „alle wichtigen Workloads in Rechenzentren, die über Data-Domain-Systeme laufen“. Mit dieser „Kombilösung“ werde Schutz für alle wichtigen Workloads in Rechenzentren gewährleistet. Für die Kunden sollen die Integrationseffekte nicht mit einem höheren Verwaltungsaufwand erkauft werden.

EMC betont: „Virtuelle Maschinen können von einem Data-Domain-System in unter zwei Minuten gebootet und in Betrieb genommen werden. Der neue VMware vSphere Webclient ermöglicht VMware-Administratoren, Backups und Wiederherstellung mit Avamar aus der gewohnten Umgebung heraus zu steuern.“

Data-Domain-Produkte bilden den Kern

Die Funktionsvielfalt und die Performance von Data Domain sind für EMC der Anlass, die gesamte Backup-Strategie rund um dieses Kernprodukt zu konzentrieren. Da die Data-Domain-Systeme „viermal leistungsstärker und bis zu zehnmal skalierbarer als die Vorgängergenerationen“ seien, geben sie nun für den Konzern die Basis einer „Konsolidierung aller Backup- und Archivdaten auf einer zentralen Plattform“ ab. Das bedeutet in der Konsequenz, dass EMC dabei ist, die „historisch gewachsene“ Vielfalt seiner Datensicherungssysteme zugunsten eines einheitlichen Ansatzes nach und nach aufzugeben.

Bei diesem Prozess, erläuterte David Goulden auf der New Yorker Konferenz, werde man Rücksicht auf die Kunden und ihre etablierte Software-Landschaft nehmen. Aber das Ziel sei klar: weg von dem bisherigen Neben- und Durcheinander hin zu einer Suite aus einem Guss. Auf Nachfrage erläuterte Goulden auch den Grund, warum man diesen Weg gewählt habe. Für alle Backup-Anbieter – so Goulden – hat es sich zunehmend als Problem herausgestellt, dass die großen Produzenten von Business- und Datenbank-Software schon vor einiger Zeit damit begonnen haben, in ihre Produkte eigene Backup-Tools einzubauen.

Goulden: Nur die Großen überleben

Was zum Beispiel Oracle, SAP und IBM als strategischen Weg für sich gewählt haben, werde früher oder später den kleineren Backup-Anbietern das Wasser abgraben. EMC habe die finanzielle Größe und auch die geeigneten Technologien im eigenen Hause, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Kleinere Backup-Anbieter, die sich nicht umstellten, würden untergehen.

Wer Data Deduplication und verwandte Funktionen bisher für etwas neben- oder zusätzliches zu Datensicherung, Disaster Recovery oder Business Continuity aufgefasst hat, wird umdenken müssen. Bei EMC gibt es jedenfalls den erklärten Willen, Data Domain in den Mittelpunkt der Backup-Prozesse zu stellen.

Auf der letzten EMC World, die im Mai 2013 in Las Vegas stattfand, präsentierte EMC übrigens eine neue, in ihren Umrissen noch etwas vage Plattform namens „ViPR“. ViPR soll im Herbst an den Start gehen und die erste rein „Software-definierte Speicherplattform“ sein. Als ihr Hauptmerkmal nannte EMC in Las Vegas „die Fähigkeit, sowohl die Speicherinfrastruktur (die Kontrollebene) als auch die Daten innerhalb dieser Infrastruktur (Datenebene) verwalten zu können“.

Es ist zu vermuten, dass dann das neu definierte Backup- und Recovery-Portfolio rund um Data Domain ebenfalls in das ViPR-Projekt eingehen könnte – diesmal mehr unter dem Aspekt, die EMC-Hardware mit den Anwendungen und Daten unter einen Hut zu bringen.

Bild 4. ViPR soll im Herbst an den Start gehen und die erste rein „Software-definierte Speicherplattform“ sein. Quelle: EMC

 

Die lange Geschichte der Zukäufe bei EMC

Eigentlich versteht sich EMC noch immer als Hardware-Firma. Doch nach einer Durststrecke beim Verkauf der teuren Storage-Einheiten riss die Führung unter dem CEO Joe Tucci das Ruder herum und setzte vermehrt auf Ausbau der Hardware nach unten sowie auf die Diversifizierung.

Im Laufe der letzten Jahre wurde ein komplettes Imperium zusammengekauft – darunter 2003 Legato (Backup) und Documentum (DMS, Dokumentenmanagementsysteme), 2004 VMware (Virtualisierung), 2005 Rainfinity (NAS- und File-Virtualisierung), 2006 RSA (Security) und Avamar (Data Deduplication), 2007 Mozy (Online-Backup), 2008 Iomega (Speichersysteme für KMUs und Konsumenten), 2009 Data Domain (Data Deduplication) und 2010 Greenplum (Tools für Analytics/Big Data) und Isilon (NAS-Cluster).

Hinzu kamen unzählige kleinere Technologieanbieter, die in der Regel bestehenden Divisions angegliedert wurden. Zur EMC-Strategie unter Tucci gehört es, dass man – zumindest offiziell und vorübergehend – den neu hinzugekauften Unternehmen eine gewisse Eigenständigkeit belässt: Sie treten teilweise unter ihrem alten Namen auf, haben einen eigenen CEO und werden manchmal sogar an die Börse gebracht. RSA und VMware sind die beiden bekanntesten Beispiele solcher Konstruktionen. Bei Documentum galt lange Zeit ebenfalls ein gewisser Status von Unabhängigkeit, bis er dann Anfang 2012 sang- und klanglos aufgegeben wurde, nachdem der Absatz stagnierte.

Im Moment regiert eine „Viererbande“ das EMC-Imperium: Sie besteht neben Tucci aus Pat Gelsinger (CEO von VMware), Paul Maritz (ex-CEO von VMware, jetzt mit dem Ausbau der Hadoop-, Analytics- und Cloud-Divison „Pivotal“ beauftragt) und aus David Goulden, langjähriger Finanzchef von EMC und jetzt President & COO.

Die Akquisitionen sorgten wie geplant für eine kräftige Steigerung von Umsatz und Gewinn – vor allem die (schein-)selbständige Tochter VMware war hier der größte Hit. Sie führten aber auch zu einer Produktfülle, die selbst für EMC-Mitarbeiter kaum noch überschaubar ist – selbst Gelsinger konzedierte dies nach seinem Wechsel von Intel zu EMC – und versprach, aufzuräumen. Bisher wurden aber erst die ausufernden Hardware-Produkte für Plattenspeicher in eine gemeinsame Familie gezwängt, ersichtlich an den neuen Namen VMX und VNX. Um manches von dem dagegen, was man mit viele Umsatzhoffnungen eingekauft hatte, wurde es bald wieder still.

Hartmut Wiehr

 

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